Wo ich bin und was ich mach :)

Donnerstag, Januar 27, 2011

C’est la vie!


C’est la vie!
Oder warum es nicht maniana maniana heißen sollte sondern Demain demain..
Wenn nur alles für dieses Erasmus Semester so einfach gewesen wäre wie die Bewerbung bei der Zuständigen in Hamburg: Frau Lazewski. Die Bewerbungsfrist fürs Sommer Semester 2011 war doch tatsächlich am 01.02.2010 abgelaufen und ich, der die Frist um ein paar Tage verpasst hatte, stand in voller Aufregung in ihrem Büro auf alles gefasst nur nicht das: Sie wollen nach Paris? Kein Problem! Im Sommer Semester 2011 an die Sorbonne? Unterschreiben sie einfach hier!

Aber fangen wir doch mal streng statistisch an:

Erasmus in Zahlen

Seit dem Start des Programms 1987 haben 2.3 Millionen Erasmus-Studenten das Angebot genutzt. Im ersten Erasmus-Jahr nahmen lediglich 3 244 Studenten am Austausch teil. Seitdem sind die Zahlen explosionsartig angestiegen. 2009/10 haben insgesamt 213 266 Studierende die Möglichkeit eines Studienaufenthalts im europäischen Ausland mit Erasmus wahrgenommen – dies entspricht aber nur ca. zwei Prozent der europäischen Studenten. Derzeit haben neun von zehn europäischen Hochschulen Partnerschaften mit ausländischen Einrichtungen.
Wie sieht die Aufteilung nach Geschlechtern aus? Frauen zeigen sich deutlich mobiler… Im Universitätsjahr 2009/10 lag der Anteil von Studentinnen mit 61.1% über dem ihrer männlichen Kommilitonen (38.9%).
Laut Daten des Jahres 2009/10 nutzen vor allem Spanier (31 158 Studenten) , Franzosen (30 562 Studenten) und Deutsche (28 513) die Möglichkeit zum Studium im europäischen Ausland.
Die Studenten zieht es vor allem in die Sonne. Die Statistiken von 2009/10 bestätigen, dass Spanien die meisten Studenten angelockt hat (35 386 Personen). Im Anschluss daran Frankreich mit 28 5000 Erasmus-Stipendiaten. Unter den TOP 20 der Gastuniversitäten finden sich 10 spanische Einrichtungen (No.1 Granada mit über 1800 incomings im Jahr)! In der Rangliste sind ebenfalls drei italienische Unis, drei Schwedische, eine deutsche, eine österreichische, eine Tschechische und eine Dänische.

Unser Anfang in Paris

Echt unkompliziert war es zusammen mit Amelie, meiner ebenso Erasmus-motivierten Freundin, die Entscheidung zu treffen nicht nach Dublin (Ich) und Athen (Sie) , sondern zu Zweit an die Sorbonne nach Paris zu gehen.


Die Realität holte mich dann zwar ein knappes Jahr später an der Sorbonne mit ihren 5 Universitäten, die gefühlt in jedem zehnten Haus in Paris untergebracht sind, und ihrem Formular-Hungrigen und Internetscheuen Verwaltungspersonal ein, aber dazu später mehr.

Nachdem Amelie und ich im November´10 nach wirklich tollen drei Monaten in Südafrika zurückgekommen waren (s.u.!) intensivierte sich die Wohnungssuche. Diese ist wohl zusammen mit denn finanziellen Anstrengungen normalerweise der bittere Stinke-Käse im Schlaraffenland Paris. Manchmal mehr als 50 Bewerber bei WGs schrecken selbst uns, die Hamburger Verhältnisse von 20+ gewöhnt sind und dass in Paris bei i.d.R. 500€ pro Zimmer oder 900€ für 13-20 qm „Wohnungen“. Bei einem malerischen Angebot hatten wir zu lange gezögert (http://www.urlaub-anbieter.com/Ein-Zimmer-Apartment-Paris.htm) und auch sonst waren wir uns nicht 100% einig. Amelie wollte es eher übers Internet und ich eher über Freunde& Bekannte versuchen. Die Suche rein übers Internet bewerkstelligen zu wollen, war jedenfalls gewagt und doch hatten wir (Dank Amelie) ein riesen Glück. Am Ende fanden wir nicht – wir wurden gefunden! Amelie hatte eine Anzeige auf verschiedenen Websiten eingestellt und bei WG-Gesucht.de (!) hatte sich ein gewisser P. Roeder von Roeder Consulting gemeldet. In einem unspektakulären Doc war eine kurze Beschreibung der 1 Zimmer 27qm Wohnung in der Rue Montmartre 100 für verdächtig günstige 750€/Mtl zu lesen und ein paar schummrige Fotos zu sehen. Auch die Website führte uns nicht unbedingt weiter, lies sie doch das Tätigkeitsfeld offen und vermochte nicht mal klar zu sagen ob es sich um eine deutsche, französische oder holländische Firma handle. Auch in den folgenden Emails blieb einiges unklar, Fragen wurden wiederholt unbeantwortet gelassen und manchmal hörte man Wochen lang nichts. Höhepunkt des ganzen war dann, als mein Mitbewohner aus Hamburg, Felix, zufällig nach Paris fuhr und bei dieser Gelegenheit für uns die Wohnung anschauen wollte und unser Vermieter einfach nicht auf unsere Wochen vorher abgeschickten Emails reagierte.

Als wir dann 300€ Kaution vor-ab bezahlen sollten, drehten sich unsere Mägen. Man muss wissen, dass der Pariser Wohnungsmarkt nämlich nicht nur teuer und überlastet ist sondern als Konsequenz auch die wildesten Betrüger-Geschichten birgt. Von unseren Zweifeln angestachelt lasen wir also von armen Studenten und anderen Opfern, die zT. vor verschlossenen Türen ankamen, wenn die Adresse überhaupt existierte und der Kaution, die zumeist bar, oder unverfolgbar via WesternUnion bezahlt wurde, als teures Lern-Geld adieu sagen mussten.

Wir wurden so misstrauisch, dass selbst ein Telefonat mit der aktuellen Mieterin uns nicht endgültig überzeugen konnte! Schlussendlich war es eben ein bisschen Wagemut, die benannte Wohnungsnot und der Fakt, dass das Geld auf ein Deutsches Konto gehen würde, die uns überzeugten. Und – Es klappte! Nach einem letzten Nervenaufreibenden Moment vor der Haustür, da Paul vergessen hatte uns den DIGI-CODE zugeben, der hier in Paris die Hausschlüssel sowie leider auch die Klingeln ersetzt und wir warten mussten bis jemand das Haus betrat, waren wir freudige Besitzer der Wohnungsschlüssel! Paul ist ein super Vermieter, der einfach wegen seines Alters (über 70) und seinem Pendeln zwischen Deutschland und Frankreich manchmal seine Emails zu knapp beantwortet. Er hat uns sogar mit Plänen, Tipps, Handtüchern usw. ausgeholfen und hält sich sonst angenehm zurück.

Wenn es mal kaputte Glühbirnen, Geschirr oder sonstiges gibt, ist es immer sofort ersetzt und seine über 50 Jahre Paris-Kenntnis machen ihn zum wertvollen Ratgeber. Auch wenn unsere Möbel schwer zusammengewürfelt sind und der blanke PVC Boden mich ins blanke Entsetzen versetzt, so gibt es wirklich schlimmeres und da wir es uns mit Postern, Photos und Flo-Markt-Erbeutetem (Postkarten von 1910!) schön machen, ja ich sogar auf unserem mini-Balkon ein bisschen Gärtnern kann und die Lange in-midst des 2ten Arrondissement und Lauf-Reichweite vom Louvre besser kaum sein könnte, schweigen und genießen wir.


Tja - Die Wohnungssuche hier ist eben eine dieser Dinge im ERASMUS-Leben, um die sich Legenden ranken. Sowie man auf hoher See und vor Gericht allein in Gottes Händen ist, so ist man es wohl auch bei dieser 13ten Herakles-Aufgabe. Es gibt Erasmusstudenten wie mein besten Freund hier, Ioannis aus Athen, der zu Beginn des Semesters angekommen war und ohne jegliche vorherige Suche (sie hätten ihn fast eine Woche vor Abflug zum Militär eingezogen) nach drei Tagen eine Dachgeschoss (Studenten-)Traumwohnung in „Oberkampf“, der abgesagtesten Gegend hier, gefunden hat! Andere, wie Leonardo aus Sao Paulo, der im Februar eine Woche bei uns untergekommen war, weil er nach zwei Monaten Wohnungssuche immer noch nichts gefunden hatte, suchen dann insgesamt drei Monate um sich trotzdem noch ein Zimmerchen in den Banlieus teilen zu müssen.


Dass das in Deutschland anders ist, ist nicht Gott-gegeben. Wieder einmal, nach meinen Erfahrungen in London und jetzt hier muss ich die Regulierung des Wohnungsmarkt in Deutschland hoch loben! Ich kann, wenn ich das hier so sehe, sehr gut nachvollziehen wie mein Vater seiner Arbeit für den Mietspiegel beim Wohnungsamt in Frankfurt am Main so vollherzig nachgehen konnte und könnte lange Lobes-Hymnen auf seine Arbeit singen. Nur eine gute und sozial-gerechte Wohnungspolitik bewahrt uns vor der Gettoisierung, den Banlieus Paris und der im wahrsten Sinne zum Himmel-stinkenden Obdachlosigkeit hier. Mehr als 10 Millionen der 12 Millionen Einwohner Paris Leben in den Banlieus, die oft, ethnisch homogen als Parallel-Gesellschaft existieren und bekannter weise 2005 zeigten wie ausgestoßen sie sich fühlen. In Paris selbst leben schätzungsweise zehntausende(!) Obdachlose, in den großen Parks Bois de Boulogne und Bois de Vincennes sollen richtige kleine Siedlungen existieren (Bidonvilles).

Diese oft ziemlich drastischen Eindrücke bewogen uns dazu Freiwillige in einer der beiden Großen Pariser Suppen-Küchen zu werden (http://soupesainteustache.free.fr/index2.htm) die in im Schutze der wunderschönen Kirche St Eustache in unserer Nachbarschaft ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Dort halfen wir einmal die Woche als Koch-Gehilfe, Plongeur , Salzer, Pfefferer oder Essen-aus-umliegenden-Geschäften-Abholer an die 250 Essen für Bedürftige auszugeben. Unter den zahlreichen Freiwilligen war alles von Rentner zu Schüler, Professor, Unternhemer, Förster oder Arbeitslosem vertreten, die uns alle herzlich aufnahmen. In dieser solidarischen Runde wurden wir Zeuge so mancher unvergesslicher Erscheinung! Tief traurigen, weinenden oder von Drogen und dem Leben im Winterlichen Paris zerrüteten, wie auch sehr schrägen (einer sah aus wie der Chinesische Kaiser höchstpersönlich) und glücklicherweise ermutigenden.

Dennoch ist im Nachhinein die Betroffenheit am größten und oft habe sich diese Erlebnisse in den spiegelnden Scheiben Pariser Luxus-Geschäft nur allzu grell reflektiert.

Alles in Allem kann ich nur empfehlen sich in einer solchen Küche zu engagieren und sei es nur temporär um einen Eindruck zu gewinnen.

Auch der kurze Blick nach außen schärft den Blick nach Innen.